Das Reh ist nicht die Frau vom Hirsch! Denn Cervus elaphus, oder eben der Rothirsch, ist nur eine von fünf Hirscharten bei uns in Deutschland. Daneben gibt es noch das Reh (Capreolus capreolus), den Damhirsch (Dama dama), den Sikahirsch (Cervus nippon) und manchmal sogar den Elch (Alces alces). Weltweit gibt es sogar rund 50 Hirscharten.
Mit der biologisch korrekten Artbezeichnung „Rothirsch“ können sowohl die männlichen als auch die weiblichen Tiere gemeint sein. Üblich ist bei uns daher der Begriff „Rotwild“. Mindestens zweijährige weibliche Tiere werden als Alttiere oder Hirschkühe bezeichnet, die Kälber zur Welt bringen. Die Jährlinge werden Schmaltiere (♀) bzw. Schmalspießer (♂) genannt. Wie fast alle Hirscharten tragen nur die männlichen Tiere ein Geweih, das jährlich gewechselt wird.
Als Paarhufer zählt Rotwild zum sogenannten Schalenwild – ein Begriff, der sich von der Form der Hufe ableitet. Auch Rehe gehören zum Schalenwild und zur Familie der Hirsche, der Cerviden. Doch Rothirsch und Reh sind nur entfernt miteinander verwandt. Sie unterscheiden sich stark in der äußeren Erscheinung, in ihren Ansprüchen und Verhaltensweisen. Im Gegensatz zu Rehen ist das Sozialverhalten von Rotwild hochentwickelt: Die Tiere bilden Rudel, um sich sicher zu fühlen. Neben den sogenannten Kahlwildrudeln, die aus weiblichen Tieren und ihrem Nachwuchs bestehen, leben die Hirsche vor allem im Frühjahr und Sommer in Hirschrudeln. In der Feistzeit zwischen Juni und August fressen sie sich Fettreserven für die Brunft an. Im September und Oktober folgen die Hirsche dem Kahlwild auf die traditionellen Brunftplätze.
Mit einem geschätzten Bestand von mindestens 200.000 Stück ist der Bestand des Rotwildes in Deutschland gesichert. Doch selbst auf den 25 % der Bundesfläche, auf denen Rotwild vorkommt, kann die Art nur sehr selten ihren natürlichen Verhaltensweisen nachgehen. Den mit dem Vorkommen von Rotwild sind häufig Konflikte mit der Land- und Forstwirtschaft verbunden. Leider wird beim Umgang mit unserem größten heimischen Säugetier aber häufig übersehen, dass Rotwild auch eine wichtige ökologische Funktion in seinen Lebensräumen übernimmt.
Systematik
- Ordnung: Paarhufer (Artiodactyla)
- Unterordnung: Wiederkäuer (Ruminantia)
- Familie: Hirsche (Cervidae)
- Unterfamilie: Altwelthirsche (Plesiometacarpalia)
- Art: Rothirsch (Cervus elaphus)
Verbreitung
- gesamte Nordhalbkugel (Europa, Asien, Nordamerika) in verschiedenen Unterarten und Ökotypen
Lebensraum
- ursprünglich Bewohner offener bzw. halboffener Landschaften (z. B. der Urstromtäler und Flussniederungen) mit z.T. ausgedehnten Wanderungen zwischen Sommer- und Wintereinständen
- heute in Mitteleuropa durch den Menschen auf Refugien im Wesentlichen in den großen Waldgebieten zurückgedrängt
Erscheinung
- Größte einheimische Hirschart mit auffälligem Geweih beim Männchen (Hirsch), das jährlich abgeworfen und neu gebildet wird,
- Körperlänge bis max. ca. 2,5 m
- Gewicht bis etwa 250 kg, Männchen ca. 1/3 größer als Weibchen (Tiere)
- Fell (Decke) im Sommer rotbraun, im Winter graubraun
Verhalten
- Rudel-bildend, v.a. die weiblichen Tiere, aber auch Hirsche im Sommer (Feistzeit)
- spektakuläre Paarungszeit (Brunft) im September/ Oktober
- Geburt des Kalbes (selten Zwillinge) im Mai/ Juni
- enge Bindung zwischen Muttertier (Alttier) und Kalb bis ins Folgejahr
Lautäußerungen
- während der Brunft lautes „Röhren“ der Hirsche, um Anspruch auf weibliche Tiere zu symbolisieren
- „Mahnen“ als Kontaktlaut zwischen Alttier und Kalb
Nahrung
- Pflanzenfresser (Wiederkäuer)
- recht breites Nahrungsspektrum: Gräser, Kräuter, Triebe, Knospen, Nadeln, Blätter, Rinde, Eicheln, Kastanien, Bucheckern, Rüben, Mais, Hafer, Kartoffeln
natürliche Feinde
- seit einigen Jahren Wölfe
- vor allem in Nord- und Mitteldeutschland auch Luchse, die Kälber erbeuten.
- daneben jährlich bis zu 3.000 Stück Rotwild dem Straßenverkehr zum Opfer
- Krankheiten
Populationsentwicklung
- in Deutschland ca. 220.000 Stück Rotwild (Stand 2017) mit steigender Tendenz
- im Durchschnitt aller Vorkommen etwa 25 Stück Rotwild auf 1.000 ha Rotwild-Lebensraum
Gefährdung
- nicht gefährdet
- natürliche Verhaltensweisen (tagvertraut, Leben im Halboffenland, überwiegend Grasfresser) nur in Ausnahmefällen möglich
- langfristige Gefahr: Verinselung von Subpopulationen
Das Jahr des Rotwildes
Mai
Die hochträchtigen Hirschkühe vertreiben die Jungtiere vom Vorjahr, diese bleiben aber in der weitläufigen Umgebung ihrer Mutter. Gegen Monatsende werden in den traditionellen Setzrevieren die ersten, bis zu 8 kg schweren Kälber, geboren.
Juli
Das Geweih der älteren Hirsche beginnt zu verknöchern. Ab Mitte des Monats „fegen“ die Hirsche den Bast an Bäumen und Sträuchern ab. Die weiblichen Tiere finden wieder zu Familienverbänden aus Muttertieren, Kälbern und Jährlingen zusammen.
Juni
Das Setzen der Kälber zieht sich bis Mitte Juni. Die erwachsenen Tiere verlieren das graue Winterhaar und haben nun kurzes, rotes Sommerhaar. Das Geweih der älteren Hirsche ist bald ausgewachsenen und für die Hirsche beginnt die sogenannte „Feistzeit“.
August
In den heißen Sommermonaten suhlt sich Rotwild gerne in Wasserlöchern und Tümpeln. Die ersten Hirsche verlassen die Feisthirschrudel und wandern mitunter viele Kilometer zu den traditionellen Brunftplätzen. Das Fell der Kälber verliert die weißen Flecken.
September
Die Brunft des Rotwildes beginnt und durch die Wälder dröhnt das Röhren der Hirsche. Die Platzhirsche verteidigen „ihr“ Kahlwildrudel gegen Rivalen. Schwächere Hirsche werden durch Drohrituale abgeschreckt, zwischen ebenbürtigen Gegnern kommt es häufig zum Kampf.
Oktober
Mitte des Monats endet die Brunft auch in den Hochlagen der Alpen. Ausgewachsene Hirsche haben dabei bis zu 25 % ihres Körpergewichts verloren. Anstelle des roten Sommerhaars tritt graubraunes Winterhaar, das länger und dichter ist und gut isoliert.
November
Mit dem ersten Schnee wandert das Rotwild aus dem Gebirge in tiefere Regionen, wo sie vom Menschen gefüttert werden. Früher nutzte Rotwild in den Tälern vor allem die Begleitvegetation der Flüsse als Winternahrung. Heute befinden sich hier die Siedlungen der Menschen.
Dezember
Je kälter es wird, desto mehr schränkt das Wild seine Aktivitäten ein. Das Fassungsvermögen des Rotwildmagens hat sich um 60 % reduziert und sogar die restlichen Organe haben sich verkleinert. Falsche Fütterung kann jetzt sogar tödlich für das Rotwild sein.
Januar
Wenig bewegen und Energie sparen – das ist die Devise für den Rothirsch im Januar. Rotwild ist in der Lage, seinen Energieverbrauch im Winter um bis zu 30 % zu reduzieren. Damit können sich die Tiere dem geringen Nahrungsangebot anpassen.
Februar
Früher wurde der Februar auch „Hornung“ genannt, da ältere Hirsche jetzt ihr Geweih verlieren. Knochenfressende Zellen hatten bereits im Herbst damit begonnen, die Knochensubstanz der Stirnzapfen, den sogenannten Rosenstöcken, zu zerstören.
März
Begierig stürzt sich das Rotwild auf die ersten grünen Knospen des Frühjahrs. Die beschlagenen Alttiere befinden sich etwa in der Mitte der Tragzeit, die 34 Wochen dauert. Der Fötus wiegt bereits ca. 3 kg.
April
Die neuen Geweihe der älteren Hirsche wachsen rasch. Aus den Rosenstöcken wächst Knorpelmasse, die durch eine Nährhaut, dem Bast, mit Nährstoffen versorgt wird. Einige junge Hirsche tragen ihr vorjähriges Geweih noch immer.