(scinexx.de vom 10.06.15) In Baden-Württemberg gefundene Knochenreste haben sich überraschend als Relikte des Megaloceros giganteus, des Riesenhirsches, entpuppt. Im Journal „Scientific Reports“ hat ein Autorenteam u.a. von der Uni Tübingen ihre Untersuchungen der Knochenfragmente veröffentlicht: Demnach verschwanden die letzten Riesenhirsche offenbar doch nicht bereits in der Eiszeit aus Mitteleuropa. Stattdessen müssen einige Individuen noch vor 12.000 Jahren gelebt haben.
Der Riesenhirsch war einer der großen Pflanzenfresser des Eiszeitalters. Mit einer Schulterhöhe von zwei Metern und einem Geweih von bis zu 3,40 Metern Spannbreite war er eine imposante Erscheinung, die von unseren Vorfahren auch in vielen Höhlenbildern verewigt wurde. Doch mit dem Höhepunkt der letzten Kaltzeit vor rund 20.000 Jahren verschwand der 1,5 Tonnen schwere Hirsch aus Mitteleuropa – so dachte man jedenfalls bisher. Nur im Nordwesten Europas hielten sich noch einige Vorkommen, vor rund 7.000 Jahren starb der Riesenhirsch dann endgültig aus. Doch nun sind Johannes Krause von der Universität Tübingen und seine Kollegen bei Ausgrabungen in zwei Höhlen am Rand der Schwäbischen Alb auf fossile Knochen eines hirschähnlichen Tieres gestoßen. Datierungen ergaben, dass diese Relikte rund 12.000 Jahre alt sind. Weil zu dieser Zeit schon lange keine Riesenhirsche in dieser Gegend mehr vorkamen, hielt man die Knochen zunächst für die Relikte eines Urzeit-Elchs. Um ganz sicher zu gehen, unterzogen die Forscher die in den Höhlen Hohle Fels und Hohlenstein-Stadel entdeckten Knochen einer genetischen Untersuchung. Es gelang ihnen dabei, mitochrondriale DNA aus den Knochen zu gewinnen und auf ihre Artzugehörigkeit zu analysieren. Das überraschende Ergebnis: Es handelte sich eindeutig um Knochen des Riesenhirschs Megaloceros giganteus.
„Diese unerwartete Präsenz von Megalocerus giganteus in Süddeutschland nach der Eiszeit deutet darauf hin, dass dieser Riesenhirsch länger hier überlebte als bisher angenommen“, sagen die Forscher. Möglicherweise habe es auch in anderen Gebieten Mitteleuropas solche Überlebenden gegeben.
Konkurrenz durch Rothirsch und Co
Die DNA half den Forschern auch dabei, die Verwandtschaft der Riesenhirsche näher zu bestimmen – und einen möglichen Grund für ihr Aussterben. Demnach ist der heutige Damhirsch und nicht der Rothirsch der engste noch lebende Verwandte des Riesenhirsches. „Anhand des Körperbaus wurde spekuliert, ob der Rothirsch am nächsten mit dem Riesenhirsch verwandt sei, dies können wir in unserer Studie klar widerlegen“, sagt Erstautor Alexander Immel von der Universität Tübingen.
Der Rothirsch scheint dafür schon damals ähnlich wie die Rentiere ein Konkurrent des Riesenhirschs gewesen zu sein, wie Isotopenanalysen der Knochen nahelegten: „Vor der letzten Kaltzeit unterschieden sich die Werte von allen drei Arten, danach zeigte sich eine klare Übereinstimmung“, erklärt Mitautorin Dorothée Drucker. „Das deutet auf einen kleiner werdenden Lebensraum hin oder auf eine sich überschneidende Ernährungsweise der Hirscharten.“
Die Forscher spekulieren, dass sich die Riesenhirsche nach der letzten Kaltzeit den Lebensraum und die Nahrung mit anderen Hirscharten teilen mussten. Zudem war ihr bis zu 3,40 Meter breites Geweih wenig geeignet für das Leben im zunehmend bewaldeten Europa. Wahrscheinlich setzten dem Riesenhirsch die Konkurrenz mit anderen Arten sowie eine mögliche Überjagung durch Menschen zu, was letztlich zum Aussterben dieser imposanten Hirsche führte. (Scientific Reports, 2015; doiu.a. von der Uni Tübingen : 10.1038/srep10853)
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Den online-Artikel „Mitochondrial Genomes of Giant Deers Suggest their Late Survival in Central Europe“ finden Sie hier.