(erschienen in „Freie Presse“ am 08.01.2015) Im Osterzgebirge ist eine Debatte um die Sinnhaftigkeit von einigen Jagden im Forstbezirk Marienberg entbrannt. Jäger werfen dem Forstbezirk radikales Vorgehen gegen das Rotwild vor, der den Bestand auf max. 20 Tiere pro 1.000 ha senken will. Trotz scharfer Kritik hält der Forstbezirk an seinem Jagdkonzept fest.
Auch außerhalb der Region wird inzwischen heftig über die Methoden im Sachsenforst gestritten. Carsten Geißler ist Jäger. Es sitzt im Vorstand der Hegegemeinschaft Osterzgebirge und ist Mitglied des Jagdverbandes Weißeritzkreis. Der Bannewitzer (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) geht mit dem Forstbezirk Marienberg hart ins Gericht – das sei allerdings seine private Meinung, betont er.
Die Argumentation von Forstleiter Ingo Reinhold, dass angesichts des Waldumbaus der Wildbestand in seinen Wäldern weiter sinken müsse, kann Carsten Geißler nicht nachvollziehen. Der Bannewitzer wirft dem Forstbezirk Marienberg sogar vor, „offensichtlich in sehr radikaler Form“ gegen das Schalenwild, besonders gegen die größte frei lebende Wildtierart in Deutschland, das Rotwild, vorzugehen. Es werde grundsätzlich der Waldumbau vor die Daseinsberechtigung des Wildes in artgerechten Populationen gestellt – „wobei ich mich fragen muss: mit welchem Recht? Es werden dort nicht-artgerechte Populationsgrößen angestrebt: Rotwild ist ein Rudelwild, und wie mit den rechnerischen ein bis zwei Stück pro 100 Hektar Fläche Rudel zusammenkommen sollen, die artgerecht sind, ist äußerst fragwürdig“, stellt der Jäger aus dem Osterzgebirge fest.
Er steht damit auf der Seite der einheimischen Jäger, die unter der Überschrift „Der Hirsch gehört zu uns“ in einem offenen Brief ein generelles Umdenken im Forstbezirk fordern. „Es geht nur ums Totschießen“ formulierten in diesem unter anderem Karsten Bergner, der Vorsitzende der Rotwildhegegemeinschaft Erzgebirge und seine Mitstreiter, darunter die Vorsitzenden der Jagdverbände Zschopau, Marienberg und Annaberg. Mehr als 2000 Menschen aus dem gesamten Erzgebirge haben den Brief inzwischen unterschrieben.
Carsten Geißler sagt, dass eine Naturverjüngung des Waldes ohne Gatterung möglich sein muss. Das könne funktionieren, wenn flankierend Maßnahmen vorgenommen würden, die der Gesetzgeber in Sachsen definiert hat. Lebensraumverbesserung sei als Aufgabe von Hegegemeinschaften an erster Stelle genannt. Als Beispiele dafür führt Carsten Geißler unter anderemdie Schaffung von Wald-Rand-Zonen mit Deckung auf, Besucherlenkung, die Schaffung von Wildruhezonen, Kernzonen mit Betretungsverbot sowie ein durchdachtes, wildartengerechtes und ökologisches Notzeit-Fütterungskonzept. Dann könne man auch gatterungsfrei die Naturverjüngung sprießen sehen. „Wenn man aber alle diese Maßnahmen, die auch von Wildbiologen und meines Wissens zum Beispiel von der Deutschen Wildtier-Stiftung gefordert werden, ignoriert und negiert, dann bleibt natürlich nur der Totalabschuss des freilebenden Schalenwildes.“ Schalenwildbestände anzupassen sei eine begründete Forderung, wo forstliche oder landwirtschaftliche Schäden nicht vertretbar sind.
Noch etwas ist Carsten Geißler wichtig: Rot- und Rehwild fahren bei Schnee und Frost ihren Körperhaushalt auf Sparflamme, der Stoffwechsel wird verlangsamt, die Körpertemperatur gesenkt. Wenn dann gefordert wird, auch im Januar noch Drückjagden bei Schneelage und Frost abzuhalten, „ist das für mich ein Verstoß gegen jede vorbildliche Jagdausübung. Und das sage ich als Jäger. Jagderfolg wollen wir alle, aber wir brauchen nicht über Jagdethik reden, wenn wir die bewährte deutsche Weidgerechtigkeit den Bach hinunterrauschen lassen.“