Neuer Film über Rothirsche und die Gefahr ihrer genetischen Verarmung
Hirsche gelten für viele Menschen als die „Könige der Wälder“. Dass dieser Mythos nichts mit den realen Lebensbedingungen dieser Tiere zu tun hat, zeigt ein Film des Wiesbadener Filmautors Markus Stifter. Naturschutzorganisationen und der Arbeitskreis Wildbiologie der Uni Gießen zeichnen darin eine für die Tierart düstere Prognose: Ganze Populationen könnten bereits in 10 Jahren nicht mehr überlebensfähig sein. In der Kritik des Films mit dem Titel “Hessens Wälder ohne Hirsche“ stehen sowohl die amtlich festgelegten Rotwildbezirke als auch Autobahnen, die Lebensräume zerschneiden und einen Wechsel der Tiere zwischen den Rotwildgebieten unmöglich machen. In den isolierten Gebieten steigt die Inzuchtrate unter den Tieren immer weiter an, warnen Organisationen wie die Deutsche Wildtier Stiftung und der Landesjagdverband Hessen. Damit sinkt die Anpassungsfähigkeit der Populationen an sich verändernde Umweltbedingungen durch zum Beispiel den Klimawandel. Manche Folgen der Inzucht sind aber bereits heute offensichtlich und haben mehrfach zu Missbildungen, wie z.B. verkürzten Unterkiefern bei hessischen Rotwildkälbern geführt. Es steht zu befürchten, dass parallel zu diesen Befunden auch die Krankheitsresistenz sowie die Fruchtbarkeit der Tiere bereits beeinträchtigt ist.
Den Film „Hessens Wälder ohne Hirsche“ von Markus Stifter können Sie unter folgendem Link kostenfrei ansehen: https://www.hirsche-in-gefahr.de/
Youtube-Direktlink: https://youtu.be/4tM1bKu6sMY
Behördliche Rotwildbezirke isolieren Populationen
Rotwildbezirke wurden in den 1950er Jahren aus forstwirtschaftlichen Beweggründen geschaffen. Sie sollten die Ausbreitung der Tiere verhindern. Beibehalten wurden sie vor allem in den südlichen Bundesländern. Laut den Landesverordnungen darf das Rotwild die behördlich ausgewiesenen Lebensräume nicht verlassen. Geschieht es dennoch, schreiben die Verordnungen den konsequenten Abschuss dieser Tiere vor. Zusätzlich stellen Autobahnen wie die A5 und die A45 in Hessen für das Rotwild unüberwindbare Barrieren dar. So können sich die Tiere in den Rotwildbezirken nur noch untereinander verpaaren. Die Auswirkungen in Hessen hat eine Studie der Justus-Liebig-Universität Gießen untersucht. Studienleiter Professor Dr. Dr. Gerald Reiner: „Die Ergebnisse sind bedenklich. Alle Rotwildbezirke in Hessen sind bereits von hohen Inzuchtgraden betroffen.“
Zu der Studie von Prof. Reiner gelangen Sie hier.
Hier können Sie die Studie „Sicherung der genetischen Vielfalt beim Hessischen Rotwild“ bestellen.
Ein erster Schritt: Die Schonung aller männlichen Tiere außerhalb von Rotwildbezirken
Die rigorosen Abschussvorgaben außerhalb der Rotwildbezirke verhindern in Bundesländern wie Hessen, Bayern oder Baden-Württemberg die natürliche Wanderung der Hirsche und damit den Genaustausch zwischen den Populationen, kritisieren der Landesjagdverband Hessen und die Deutsche Wildtier Stiftung. Beide Organisationen fordern daher die völlige Abschaffung der Rotwildbezirke. Ein erster Schritt wäre die Schonung aller männlichen Tiere, die sich auf Wanderschaft zwischen den einzelnen Rotwildgebieten befinden und ihre Gene weitertragen. Prof. Dr. Jürgen Ellenberger, Präsident des Landesjagdverbandes Hessen, der auch Präsidiumsmitglied des Deutschen Jagdverbandes ist, fordert einen festen Etat von 50 Millionen Euro pro Jahr im Haushaltsplan des Bundes, um Lebensräume, die durch Autobahnen zerschnitten wurden, z.B. mit Grünbrücken wieder zu vernetzen. Die Abschaffung der Rotwildgebiete, die freie Wanderung von männlichen Tieren und der Bau von Querungshilfen (Grünbrücken) seien zwingend notwendig, damit das Rotwild in den deutschen Wäldern langfristig überleben könne.