Zwei Jahre neue Hessische Rotwildrichtlinie
Seit zwei Jahren gilt eine neue „Richtlinie für die Hege und Bejagung des Schalenwildes in Hessen“, die die schwarz-grüne Landesregierung verabschiedet hatte. Damit einher gingen einige markante Neuerungen: Zum Beispiel endet die Jugendklasse beim männlichen Wild nach der neuen Rotwildrichtlinie nun nicht mehr beim 4- sondern beim 5-jährigen Hirsch und die mittelalten Hirsche (6 bis 9jährig) sollen nicht mehr wie bisher voll geschont werden. Außerdem sieht die neue Richtline pauschale Abschussplanerhöhungen in bestimmten Schadsituationen vor. Diese neue Wildschadensregelung kam in den beiden vergangenen Jahren bereits mehrfach zum tragen. Nun hat das Ministerium die Jahresjagdstrecken für das Jagdjahr 2020/ 21 und damit für das zweite Jagdjahr unter der neuen Rotwildrichtlinie vorgelegt: Die Jagdstrecke betrug im vergangenen Jahr 8266 Tiere, vor fünf Jahren waren es noch 6880. Allerdings wurde die geplante Jahresstrecke wie bereits in den Jahren zuvor nicht erfüllt. Aus einer parlamentarischen Anfrage der FDP-Landtagsabgeordneten Wiebke Knell an Umweltministerin Priska Hinz (Bündnis 90/ Die Grünen) geht hervor, dass vor allem weniger Alttiere wie vorgegeben von den Jägern erlegt wurden. Im Jagdjahr 19/ 20 sollten 2.069 Alttiere erlegt werden – inkl. Fallwild lag die Strecke jedoch bei nur 1.433 Stücken. Im vergangenen Jagdjahr wurde der Abschuss von 1.969 adulten weiblichen Tiere festgelegt, erlegt wurden samt Fallwild nur 1.425.
Anteil männlichen Wildes an der Jagdstrecke durch neue Rotwildrichtlinie gestiegen
Ein etwas genauerer Blick auf die Abschussverteilung verrät, das der Anteil von Alttieren auf der Jagdstrecke von seinerzeit 17 % im Jagdjahr 2015/ 16 auf nun 14 % gesunken ist. Während eines Reduktionsprojektes sollten allerdings möglichst mehr als 20 % der Gesamtstrecke aus tierschutzgerecht erlegten Alttieren bestehen. Gleichzeitig ist der Anteil männlicher Tiere an der Gesamtstrecke unter der neuen Rotwildrichtlinie von seinerzeit 43 auf nun 47 % gestiegen. Oder anders ausgedrückt: Während die Jagdstrecke der Alttiere in den letzten fünf Jahren nur um 7 % gestiegen ist, ist sie bei den mittelalten Hirschen um 86% und bei den jungen Hirschen um 67 % gestiegen. Das mit einem stärkeren Hirschabschuss langfristig keine Rotwildpopulation reduziert werden kann, ist indes jedem Milchmädchen klar. Es ist daher keinesfalls sicher, dass die höheren absoluten Abschusszahlen in Hessen zu einer nachhaltigen Reduktion der Bestände führen werden. Genauso gut möglich ist, dass die Bestände wegen der im Verhältnis geringeren Alttier-Strecke noch länger auf hohem Niveau bleiben und sich nur die jagdliche Intensität aufgrund der hohen Abschussvorgaben erhöht. Dann würde sich zwangsläufig auch die Waldschadenssituation weiter zuspitzten, was qua Richtlinie automatisch zu weiter steigenden Abschussvorgaben führen wird – ein klassischer Teufelskreis.
Die Deutsche Wildtier Stiftung hat der Jagdzeitschrift „Wild und Hund“ im Frühjahr 2019 ein Interview zu der neuen Schalenwildrichtlinie in Hessen gegeben. (Zu dem Interview gelangen Sie hier.) Da die Freigabe einzelner Alttiere auf Bewegungsjagden ein hohes Risiko für das Verwaisen von Rotwildkälbern darstellt, plädiert die Deutsche Wildtier Stiftung für den Fall einer beschlossenen Bestandesreduktion für eine intensive Spätsommerjagd auf Kahlwild mit erfahrenen Jägern. Durch Kalb-Alttier-Doubletten können so noch vor der Brunft viele Alttiere tierschutzgerecht erlegt werden.
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