Kahlwildjagd im August: die tierschutzgerechte Alternative
Am 1. August beginnt in fast allen Bundesländern die Jagd auf weibliches Rotwild. Wurde die Kahlwildjagd im August bis vor einigen Jahren noch mit Verweis auf die Verwertbarkeit von Kälbern vehement abgelehnt, wird sie heute mehr und mehr als tierschutzgerechte Alternative bei der Kahlwildjagd akzeptiert und eingesetzt. Durch die noch immer kurzen Nächte und die enge Bindung zwischen Alttier und Kalb ist zu keiner anderen Jahreszeit die Chance größer, Kalb-Alttier-Doubletten zu erlegen. Damit wird ein hoher Anteil an Zuwachsträgern zur Strecke beigetragen, ohne das Verwaisen von Rotwilkälbern in Kauf zu nehmen. Denn ein hoher Abschuss von Alttieren kann zwar auch durch die Freigabe „einzeln gehender Alttiere“ auf Gesellschaftsjagden erreicht werden – tierschutzgerecht ist diese Jagd allerdings erst, wenn keine verwaisten Kälber zurückbleiben. Aktuelle Studien weisen darauf hin, dass dies keinesfalls sichergestellt ist.
Spätsommerliche Kahlwildjagd als Element von Reduktionsprojekten
Die Deutsche Wildtier Stiftung hat in der Zeitschrift AFZ-Der Wald Nr. 9/ 2020 gemeinsam mit dem Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover einen Artikel über die Abschussstruktur von Rotwild im Rahmen von Reduktionsprojekten veröffentlicht. Die Auswertung von über 50.000 Abschüssen aus Deutschland und Österreich untermauert, das die Kahlwildjagd im Spätsommer ein ganz wesentliches Element für ein tierschutzgerechtes Reduktionsprojekt ist. Reviere, in denen erfahrene und qualifizierte Jäger im August intensiv auf Kahlwild jagten, lieferten einen deutlich höheren Anteil an Alttieren an der Gesamtstrecke, als Reviere, in denen kaum oder garnicht im August gejagt wurde. Durch den bereits erfolgten Abschuss im Spätsommer konnten außerdem einzeln gehende Alttiere auf Bewegungsjagden konsequent geschont werden, wodurch das Risiko des Verwaisens von Rotwildkälbern minimiert wurde.
Hier finden Sie den vollständigen Artikel zur Abschussstruktur von Rotwild im Rahmen von Reduktionsprojekten:
Kahlwildjagd auf Gut Klepelshagen
Die früher oft ins Feld geführte Gefahr einer Gesäugeentzündung (Mastitis) beim Alttier im Fall des Verlustes ihres Kalbes ist bei der Kahlwildjagd im August ebenso wenig zu erwarten (s. DEUTZ & SCHAWALDER 2018) wie eine stille Brunft oder gar die Aufgabe traditioneller Brunftplätze. Zum Beispiel ist das Gut Klepelshagen der Deutschen Wildtier Stiftung für seine Möglichkeit bekannt, die Rotwildbrunft bei Tageslicht im Offenland zu erleben. Was kaum einer ahnt: Seit ein paar Jahren werden jährlich über 70 % des deutlich steigenden Jahresabschusses bis Ende September geliefert. Durch eine kluge Jagdstrategie haben diese Abschüsse der erlebbaren Brunft im Offenland keinen Abbruch getan. Ganz nebenbei wurde in den vergangenen 10 Jahren bei einer Gesamtstrecke von fast 500 Stück Rotwild ein einziges Stück im Januar erlegt – ein altkrankes Schmalttier.
Die Deutsche Wildtier Stiftung fordert in ihrer Bad Driburger Erklärung, dass Rotwildreduktion niemals ein Dauerzustand sein darf, sondern als ein zeitlich und räumlich begrenztes Projekt mit gezielt einzusetzenden Instrumenten verstanden werden muss. Ein ganz wesentliches Element ist dabei die Kahlwildjagd gleich ab dem 1. August, um tierschutzgerecht einen hohen Anteil Zuwachsträger zur Strecke beizutragen.
Effektivität neuer Hegerichtlinien fraglich
Deutlich hinterfragt werden müssen Regelungen, die zwar einen höheren Abschuss fördern, die jedoch gleichzeitig tendenziell geringe Eingriffe bei den Zuwachsträgern provozieren. So hat die neue Hegerichtlinie für Schalenwild in Hessen der Hegegemeinschaft Riedforst zwar im vergangenen Jagdjahr eine neue Rekordstrecke gebracht, an Alt- und Schmaltieren wurden aber absolut sogar weniger geschossen als im Vorjahr. Eine sehr deutliche Abschusssteigerung hat dagegen die Altersklasse der Spießer mit +62 % und die der jungen Hirsche mit knapp +30 % erfahren. Der Abschuss der Kälber blieb nahezu identisch. Das auf diese Weise langfristig keine Rotwildpopulation reduziert werden kann, ist jedem Milchmädchen klar.