Energiesparer Rotwild

(nnz-online vom 17.01.2017) Mit dem Schneetief „Egon“ hat der Winter Einzug in die Mittelgebirge gehalten. Für das Rotwild hat damit die Zeit des Energiesparens begonnen. Im Zuge der Evolution haben Rothirsche die Strategie entwickelt, den Stoffwechsel in der kalten Jahreszeit bei Bedarf herunterzufahren um körperliche Reserven zu schonen. Wird das Wild dann allerdings durch Wintersportler, Spaziergänger oder nicht zuletzt Jäger gestört, so ist es durch den entstehenden Stress dazu gezwungen, den auf Wintermodus laufenden Stoffwechsel hochzufahren, um die Flucht im Tiefschnee überhaupt bewerkstelligen zu können. Diese kraftzehrenden Fluchten können vor allem für die jüngeren Stücke verheerende Folgen haben. Mitunter können die Tiere dem Tod durch Erschöpfung erliegen.

Das Thüringer Forstamt Bleicherode-Südharz weist darauf hin, dass auch eine falsche Fütterung von Rotwild kontraproduktiv sein kann. Wenn energiereiche Futtermittel wie Mais und Brot angeboten werden, kann das Rotwild diese durch den winterlich bedingten abgesenkten Nährstoffhaushalt nicht ausreichend verdauen. Um einer Eiweißüberpufferung vorzubeugen, muss das Rotwild zusätzlich Rohfasermaterial aufnehmen, was oftmals durch das Schälen von Bäumen geschieht. Kann das Rotwild diese Äsungspausen auf Grund von Beunruhigung und Störung nicht wahrnehmen, kann es zur Eiweißüberpufferung kommen welche für Wiederkäuer den Tod bedeutet. Dementsprechend füttert das Forstamt Bleicherode ausschließlich Heu an ausgewählten Plätzen um Schaden am Wald zu vermeiden. Und Waldbesucher werden um die Einhaltung von Anstand und gesetzlicher Vorgaben während des Naturbesuches gebeten.

Den vollständigen Artikel auf nnz-online finden Sie hier.

Die Deutsche Wildtier Stiftung setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, dass die wildbiologischen Erkenntnisse zur Stoffwechselruhe der Wiederkäuer im Winter in der Jagdpraxis stärker berücksichtigt werden. Die Stiftung fordert u.a. ein Jagdzeitende  am 31. Dezember und die Ausweisung von Wildruhezonen, die auch für Wintersportler und Spaziergänger gelten.

Ein Forderungspapier der Deutschen Wildtier Stiftung zur Lösung von Konflikten zwischen dem Lebensraum- und Nahrungsbedarf der Wildtiere und dem Nutzungsinteresse des Menschen in unserer Landschaft finden Sie hier.

 

Der Rothirsch ist Tier des Jahres – in der Schweiz

(Pro Natura vom 03.01.2017) Der Größenunterschied könnte kaum deutlicher sein: Während in Deutschland die etwa 30 Gramm schwere Haselmaus zum „Tier des Jahres 2017“ gewählt wurde, hat die Naturschutzorganisation Pro Natura mit dem etwa 6.000 mal schwereren Rothirsch einen «wilden Pendler» zum Tier des Jahres 2017 der Schweiz erkoren.

Die zwei bekanntesten Merkmale von Cervus elaphus sind sein majestätisches Geweih sowie sein ohrenbetäubendes Röhren zur Brunftzeit. Weniger bekannt ist, dass Rothirsche ein ausgeprägtes Mobilitätsbedürfnis haben. Sie wandern oft weite Strecken zwischen Tages- und Nachtquartier sowie zwischen Sommer- und Winterlebensraum. Auch in der Schweiz werden diese Wanderrouten durch Strassen, Schienen und Siedlungen immer mehr unterbrochen. Pro Natura macht sich mit der Wahl des Rothirschs für die nötige Überbrückung von menschgemachten Hindernissen stark – zugunsten aller Wildtiere. «Es braucht in unserer immer stärker zerschnittenen Landschaft dringend wieder mehr durchgängige Wildtierkorridore, entlang derer sich Tiere ungehindert bewegen können», fordert Andreas Boldt, Wildtierspezialist bei Pro Natura. Dazu startet Pro Natura eine Kampagne unter dem Motto «Freie Bahn für Wildtiere!»

Mitte des 19. Jahrhunderts war der Rothirsch in der Schweiz ausgerottet. Die Rückkehr fand ab 1870 von Österreich her statt. Mit dem eidgenössischen Jagdgesetz von 1875 wurden für die Rothirsche entscheidende Verbesserungen eingeführt: Jagdbanngebiete, in denen die Tiere nach wie vor Schutz finden, beschränkte Jagdzeiten sowie der Schutz der weiblichen Tiere. Heute leben wieder etwa 35.000 Rothirsche in der Schweiz. Die Rückkehr des Rothirschs in seine ursprünglichen Lebensräume ist dabei noch nicht abgeschlossen. Da die Wiederbesiedlung der Schweiz von Osten her geschieht, zeigt sich auch ein auffälliges Verbreitungsmuster: Am meisten Tiere leben im Südosten der Schweizer Alpen. Vorkommen gibt es aber auch im Mittelland. Etwas weniger im Jura. An seiner natürlichen Ausbreitung wird der Rothirsch durch die vielerorts unüberbrückbaren Hindernisse wie Autobahnen, Bahnlinien oder Siedlungen gehindert.

Einen für Deutschland vorbildlichen Umgang mit dem Rothirsch gibt es in der Schweiz mit Blick auf den Wintersport: Um im Winter Energie zu sparen, fallen Rothirsche für einige Stunden am Tag in eine temporäre Kältestarre. Bei Störungen in diesen Phasen müssen Rothirsche jedoch in Sekundenbruchteilen direkt vom Sparmodus in den Vollbetrieb wechseln. Entsprechend hoch ist der Energieverschleiss. Umso wichtiger sind für das Tier des Jahres 2017 der Schweiz absolut ungestörte Winterlebensräume. Diese werden in der Schweiz als umfassende Wildruhezonen geschützt. Besonders Wintersportlerinnen und -sportler sind gebeten, sich an die ausgeschilderten Wildruhezonen zu halten. Informationen zu Lage und Bedeutung dieser Rückzugsgebiete fürs Wild gibt es unter www.wildruhezonen.ch.

Zum Tier des Jahres 2017 in der Schweiz gelangen Sie hier.

 

Das Rotwild und der Klimawald

Nach Aussage der „Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ aus dem Jahr 2008 drohen Ausmaß, Richtung und Geschwindigkeit des Klimawandels die Anpassungsfähigkeit des Ökosystems Wald an sich verändernde Umweltbedingungen zu überfordern. Die aus dieser Annahme abgeleiteten Empfehlungen für die forstliche Praxis reichen vom Umbau einförmiger Waldgefüge in vielschichtige und gemischte Dauerwald-Strukturen bis hin zu einer größeren Vielfalt an Baumarten, z.B. durch die Einmischung „klimarobuster“ Arten in die bestehenden Waldbestände. Das die Einmischung seltener Baumarten auch bei geringen Schalenwilddichten zu Konflikten führt, ist jedem forstlichen Praktiker bekannt. Das Klimwald-Projekt der Universität Kassel, das aktuell im Wolfhager Land in Nordhessen läuft und Lösungsansätze für einen zukunftsfähigen, robusten Wald liefern soll, sieht einen verstärkten Abschuss von Rotwild vor. Die Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA) sprach darüber mit dem Vorsitzenden der Rotwildhegegemeinschaft Wattenberg-Weidelsburg. Zu dem Interview in der HNA gelangen Sie hier.

Die Rotwildhegegemeinschaft Wattenberg-Weidelsburg ist mit 23.000 Hektar das kleinste Rotwild-Gebiet Hessens. Die höchste Jagdstrecke in den vergangenen 40 Jahren betrug 34 Tiere. Bereits im Sommer 2016 sprach die HNA mit dem Projektverantwortlichen bei der Uni Kassel u.a. über die Möglichkeit, Rotwild zum Beispiel durch Ruhezonen räumlich zu lenken. Zu dem Beitrag gelangen Sie hier.