Hirsch Ludwig auf Sendung im Nationalpark

(Österreichische Bundesforste vom 28.01.2015) Überraschende Ergebnisse im Rotwild-Forschungsprojekt der Österreichischen Bundesforste im Nationalpark Kalkalpen – Hirsche senden 50.000 GPS-Daten per SMS – Weitere Besenderungen geplant

Neue Erkenntnisse bringt das mehrjährige Telemetrieprojekt der Österreichischen Bundesforste (ÖBf) in Zusammenarbeit mit der Nationalpark Gesellschaft zur Erforschung des Rotwildes im Nationalpark Kalkalpen in Oberösterreich. „Unser Ziel ist es, die Wanderungen des Rotwildes wissenschaftlich zu dokumentieren und ihr Verhalten in der seit knapp 20 Jahren nicht mehr bejagten Ruhezone des Nationalparks zu erforschen“, erklärt Georg Erlacher, Vorstandssprecher der Bundesforste, die den Großteil der Flächen des Schutzgebietes betreuen. „Die fundierten Daten dienen auch dazu, unser Wildtiermanagement im Nationalpark weiter zu optimieren.“ Seit 2012 wurden insgesamt 19 Hirsche und Hirschkühe – alle zur eindeutigen Unterscheidung mit eigenen Namen versehen – mit GPS-Halsbändern ausgestattet. Bis zu sieben Mal pro Tag senden Ludwig, Kordula & Co ihre Koordinaten aus den weitläufigen Wäldern und übermittelten via SMS bereits 50.000 Peilpunkte. Die Daten einiger Tiere wurden nun zu ersten aufwändigen Bewegungsprofilen verarbeitet, die Aufschluss über Lauf-, Tag- und Nachtaktivität der größten Säugetiere in der Region geben. „Schon die ersten Auswertungen haben uns überrascht“, meint Erlacher. „Sie zeigen uns, dass sich Rotwild in der Natur nicht immer so verhält, wie wir dies ursprünglich angenommen haben.“

Das Wandern ist des Hirschen (Un-)Lust

Die im Laufe eines Jahres zurückgelegten Strecken unterscheiden sich von Tier zu Tier zwar deutlich, die Wanderrouten sind insgesamt jedoch erheblich kürzer als erwartet. Der sechsjährige Hirsch Ludwig zum Beispiel ist von sehr gemütlicher Natur. Nicht einmal 1,5 km streift er durchschnittlich pro Tag umher und bewegt sich dabei durch ein relativ kleines Gebiet von rund 2.400 Hektar. Seine weibliche Artgenossin Kordula ist im stolzen (Hirschkuh-)Alter von 15 Jahren hingegen schon etwas sportlicher: Sie bewältigt immerhin Strecken von über 750 km pro Jahr und legt dabei fast 90.000 Höhenmeter zurück. Zu ihren Lieblingsplätzen zählen Einstände rund um den Almkogel auf rund 1.000 Meter Seehöhe mit teils herrlicher Aussicht ins Alpenvorland. Während der Brunftzeit sind die Flächen rund um den Hengstpass beim Rotwild besonders beliebt. Von September bis Oktober buhlen männliche Hirsche hier um die Gunst potenzieller Partnerinnen.

Aktiv durch die Dämmerung

Wird vielerorts gemutmaßt, dass sich Rotwild durch verstärkte Nachtaktivität einer Bejagung geschickt entzieht, zeigen die ersten Telemetriedaten, dass die Tiere die längsten Strecken in der Dämmerung zurücklegen. Auch täglich wiederkehrende Bewegungsmuster, wie Jäger sie vermuten, kennen die Tiere meist nicht. „Wie wir aus den bisherigen Auswertungen sehen, scheint auch die jagdfreie Ruhezone wenig Einfluss auf die Streifgebiete des Rotwildes zu haben“, so Erlacher.

Weitere Hirschbesenderungen im Winter geplant

In den kommenden Wochen sollen drei weitere Hirsche bzw. Hirschkühe bei den Winterfütterungen, zu denen sich die Tiere in der kargen Jahreszeit regelmäßig einfinden, mit einem GPS-Halsband versehen werden. Zwei Jahre wird das Rotwild dann rund alle drei Stunden Peildaten übermitteln und Wissenswertes über seine Wanderbewegungen preisgeben. „Für eine fundierte wissenschaftliche Aufarbeitung brauchen wir so viele Bewegungsdaten wie möglich. Manchmal kann ein Peil-Sender auch ausfallen oder die Tiere bevorzugen Plätze in entlegenen Gebieten, in denen kein GSM-Netz verfügbar ist“, erklärt Erlacher. Unterstützt wird das Rotwild-Telemetrie-Projekt vom Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER). Das Projekt läuft noch weitere zwei Jahre, die finalen Ergebnisse werden voraussichtlich 2017 zur Verfügung stehen.

Winterliches Hirsch-Theater im Nationalpark Kalkalpen

Für Naturfans bietet der 21.000 ha große Wald-Nationalpark Kalkalpen von Jänner bis März alljährlich ein ganz besonderes Schauspiel. Im Bodinggraben, einem der schönsten Talschlüsse der Kalkalpen, finden sich täglich rund 40 bis 90 Hirsche und Hirschkühe bei der Winterfütterung ein. Im Rahmen geführter Touren können die prächtigen Tiere von einer Besucherplattform aus so nah wie sonst nie beobachtet werden. Weitere Informationen und Anmeldungen im Nationalpark Zentrum Molln unter der Telefonnummer 07584/3651.

Rückfragehinweis

Österreichische Bundesforste
Andrea Kaltenegger, Unternehmenskommunikation
E-Mail: andrea.kaltenegger@bundesforste.at

„Der Hirsch gehört zu uns“

(erschienen in „Freie Presse“ am 08.01.2015) Im Osterzgebirge ist eine Debatte um die Sinnhaftigkeit von einigen Jagden im Forstbezirk Marienberg entbrannt. Jäger werfen dem Forstbezirk radikales Vorgehen gegen das Rotwild vor, der den Bestand auf max. 20 Tiere pro 1.000 ha senken will. Trotz scharfer Kritik hält der Forstbezirk an seinem Jagdkonzept fest.

Auch außerhalb der Region wird inzwischen heftig über die Methoden im Sachsenforst gestritten. Carsten Geißler ist Jäger. Es sitzt im Vorstand der Hegegemeinschaft Osterzgebirge und ist Mitglied des Jagdverbandes Weißeritzkreis. Der Bannewitzer (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) geht mit dem Forstbezirk Marienberg hart ins Gericht – das sei allerdings seine private Meinung, betont er.

Die Argumentation von Forstleiter Ingo Reinhold, dass angesichts des Waldumbaus der Wildbestand in seinen Wäldern weiter sinken müsse, kann Carsten Geißler nicht nachvollziehen. Der Bannewitzer wirft dem Forstbezirk Marienberg sogar vor, „offensichtlich in sehr radikaler Form“ gegen das Schalenwild, besonders gegen die größte frei lebende Wildtierart in Deutschland, das Rotwild, vorzugehen. Es werde grundsätzlich der Waldumbau vor die Daseinsberechtigung des Wildes in artgerechten Populationen gestellt – „wobei ich mich fragen muss: mit welchem Recht? Es werden dort nicht-artgerechte Populationsgrößen angestrebt: Rotwild ist ein Rudelwild, und wie mit den rechnerischen ein bis zwei Stück pro 100 Hektar Fläche Rudel zusammenkommen sollen, die artgerecht sind, ist äußerst fragwürdig“, stellt der Jäger aus dem Osterzgebirge fest.

Er steht damit auf der Seite der einheimischen Jäger, die unter der Überschrift „Der Hirsch gehört zu uns“ in einem offenen Brief ein generelles Umdenken im Forstbezirk fordern. „Es geht nur ums Totschießen“ formulierten in diesem unter anderem Karsten Bergner, der Vorsitzende der Rotwildhegegemeinschaft Erzgebirge und seine Mitstreiter, darunter die Vorsitzenden der Jagdverbände Zschopau, Marienberg und Annaberg. Mehr als 2000 Menschen aus dem gesamten Erzgebirge haben den Brief inzwischen unterschrieben.

Carsten Geißler sagt, dass eine Naturverjüngung des Waldes ohne Gatterung möglich sein muss. Das könne funktionieren, wenn flankierend Maßnahmen vorgenommen würden, die der Gesetzgeber in Sachsen definiert hat. Lebensraumverbesserung sei als Aufgabe von Hegegemeinschaften an erster Stelle genannt. Als Beispiele dafür führt Carsten Geißler unter anderemdie Schaffung von Wald-Rand-Zonen mit Deckung auf, Besucherlenkung, die Schaffung von Wildruhezonen, Kernzonen mit Betretungsverbot sowie ein durchdachtes, wildartengerechtes und ökologisches Notzeit-Fütterungskonzept. Dann könne man auch gatterungsfrei die Naturverjüngung sprießen sehen. „Wenn man aber alle diese Maßnahmen, die auch von Wildbiologen und meines Wissens zum Beispiel von der Deutschen Wildtier-Stiftung gefordert werden, ignoriert und negiert, dann bleibt natürlich nur der Totalabschuss des freilebenden Schalenwildes.“ Schalenwildbestände anzupassen sei eine begründete Forderung, wo forstliche oder landwirtschaftliche Schäden nicht vertretbar sind.

Noch etwas ist Carsten Geißler wichtig: Rot- und Rehwild fahren bei Schnee und Frost ihren Körperhaushalt auf Sparflamme, der Stoffwechsel wird verlangsamt, die Körpertemperatur gesenkt. Wenn dann gefordert wird, auch im Januar noch Drückjagden bei Schneelage und Frost abzuhalten, „ist das für mich ein Verstoß gegen jede vorbildliche Jagdausübung. Und das sage ich als Jäger. Jagderfolg wollen wir alle, aber wir brauchen nicht über Jagdethik reden, wenn wir die bewährte deutsche Weidgerechtigkeit den Bach hinunterrauschen lassen.“