Ausgezeichnetes Projekt: Hirsche als Landschaftspfleger

Dass auch Rothirsche durch Beweidung zum Erhalt von ökologisch wertvollen Offenlandschaften beitragen können, verdeutlicht ein Projekt auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr. Das Projekt „Rothirsche als Landschaftspfleger“ wurde jetzt mit dem Preis der UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgezeichnet.

Der 23.000 Hektar große Truppenübungsplatz Grafenwöhr nordöstlich von Nürnberg gehört zu den bundesweit wertvollsten Arealen des europäischen Schutzgebietsnetzes NATURA 2000. Zahlreiche gefährdete und vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten sind hier zuhause. Zudem besitzen einige Lebensräume auf dem Gelände gesamteuropäische Bedeutung. Aufgrund eines langfristigen, zielgerichteten Wildtiermanagements nutzt der dortige Rothirschbestand intensiv das vorhandene Offenland. Mit Hilfe des Projektes „Rothirsche als Landschaftspfleger“ konnte gezeigt werden, dass die Rothirschbeweidung maßgeblichen Einfluss auf Vegetationsentwicklung und Biodiversität der Lebensräume hat und gleichzeitig steuerbar ist.

Kombination aus Wissenschaft und Praxis

Naturnahe Offenlandlebensräume zu erhalten ist eine große Herausforderung für den Naturschutz. Als Landschaftspfleger haben sich extensiv gehaltene Nutztiere wie Rinder oder Schafe bewährt, diese können aber nicht überall eingesetzt werden. Mit dem fünfjährigen Projekt „Rothirsche als Landschaftspfleger“ gingen der Bundesforstbetrieb Grafenwöhr und seine Partner ganz neue Wege. Ihr innovativer Ansatz: den Rothirschbestand in den Offenlandbereichen zu konzentrieren und die Jagd dort auf wenige Tage im Jahr zu minimieren. In dem Projekt wurde überprüft, welchen Einfluss dies auf die Vegetationsentwicklung und die Biodiversität hat. Dazu statteten die Bundesförster 44 Rothirsche mit GPS-Sendehalsbändern aus. Das Ergebnis: Die Rothirschbeweidung auf dem Übungsplatz bewirkt den Erhalt von ökologisch wertvollen Offenlandlebensräumen und ist gleichzeitig Wegbereiter zahlreicher streng geschützter und gefährdeter Arten. Die Kombination von wissenschaftlich fundierten Belegen und dem Anwendungsbeispiel Grafenwöhr hat damit gezeigt, dass wildlebende Rothirsche einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt bedrohter Offenlandlebensräume leisten können.

Der im August 2019 erschienene Tagungsband der Deutschen Wildtier Stiftung zur tierschutzgerechten Rotwildreduktion enthält mehrere Beiträge aus dem Projekt „Rothirsche als Landschaftspfleger“. Näheres zu dem Tagungsband und die Bestellinformationen finden Sie hier. 

 

 

Win-Win für Wild und Wald

Auf dem heutigen „Nationalen Waldgipfel“ in Berlin, zu dem das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geladen hat, sollen Strategien für eine vitale Zukunft der deutschen Wälder gefunden werden. Dass damit auch eine große Chance zur Verbesserung der Lebensräume heimischer Wildtiere gegeben ist, unterstreicht die Deutsche Wildtier Stiftung in ihrem heute veröffentlichten Positionspapier „Wild und Wald“ zum Umbau der Wälder.

„Wälder sind sehr viel mehr als nur die Summe ihrer Bäume“, sagt Dr. Andreas Kinser, stellvertretender Leiter Natur- und Artenschutz der Deutschen Wildtier Stiftung. „Wälder sind auch Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten.“ Mehr noch: Wälder werden umso artenreicher, je mehr offene und sonnendurchflutete Lichtungen vorhanden sind. Mit Weiden oder Zitterpappeln bewachsene Wegränder sind zum Beispiel ein Hotspot der Insektenvielfalt. Und Waldwiesen beherbergen eine Vielzahl seltener und auch vom Aussterben bedrohter Pflanzenarten, die auf landwirtschaftlich genutztem Grünland längst verschwunden sind. Ganz nebenbei tragen solche Strukturelemente in den Wäldern auch zur Entlastung der Baumvegetation vor Wildverbiss bei.

„In der Debatte um einen klimaangepassten Waldumbau wird von vielen Akteuren die drastische Reduktion der Reh- und Rothirschpopulationen gefordert“, so Kinser. Die Deutsche Wildtier Stiftung unterstreicht in ihrem Positionspapier „Wild und Wald“ jedoch, dass Jagd nur ein Baustein für das Gelingen des Waldumbaus sein kann. „Wenn der Waldumbau dazu genutzt wird, zukünftig mindestens ein Prozent der Waldfläche als besonders wertvollen Wildtierlebensraum vorzuhalten, könnten die aktuellen Waldschäden in einigen Jahren zu einer Win-win-Situation für Wild und Wald führen.“

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Wild und Wald – Positionspapier zum Umbau der Wälder unter Berücksichtigung ihrer Funktion als Lebensraum der Wildtiere

Ulrich Wotschikowsky ist tot

Die Deutsche Wildtier Stiftung trauert um Ulrich Wotschikowsky: Er ist Ende August an den Folgen einer schweren Krankheit verstorben.

„Wotsch“ war ein kantiger Wildbiologe und – wie die Süddeutsche in ihrem Nachruf schreibt – ein unabhängiger Geist, der sich von keinem Verband und keiner Partei vereinnahmen ließ. Seine Passion galt den Wildtieren, denen er vier Jahrzehnte seines Berufslebens widmete. Ulrich Wotschikowsky ist Hauptautor des 2005 veröffentlichten „Leitbild Rotwild“, dessen 4. unveränderte Auflage die Deutsche Wildtier Stiftung in diesen Tagen herausgeben wird. Auch die Karte zur Rotwildverbreitung in Deutschland, die Ausstellung „Geweiht, Gehegt, Geächtet“ und die Internetseite www.Rothirsch.org gehen auf seine Initiative zurück.

Die Deutsche Wildtier Stiftung verliert mit Ulrich Wotschikowsky einen Wegbegleiter der ersten Stunde. Wir verneigen uns in Dankbarkeit vor einem großen Wildtierfreund. Seine grantelnde Gradlinigkeit und sein scharfer Verstand werden uns fehlen.

Tagungsband zur tierschutzgerechten Rotwildreduktion veröffentlicht

Mit „Der Rothirsch in der Überzahl“ hat die Deutsche Wildtier Stiftung Anfang August ein Buch über die Rotwildreduktion unter Einhaltung des Tierschutzes veröffentlicht. Die Publikation dokumentiert die Vorträge und Diskussionen des 9. Rotwildsymposiums, das 2018 in Bad Driburg stattgefunden hat. Den 200 Seiten umfassenden Band erhalten Sie gegen eine Schutzgebühr in Höhe von 14,90 € inkl. Versandkosten unter Telefon 040 9707869-0 oder über unser Bestellformular.

In den über 25 Jahren ihres Bestehens hat die Deutsche Wildtier Stiftung kein Wort über die Dichte von Rotwildpopulationen verloren. Maßstab ihres Engagements war, ist und bleibt das Wohlbefinden der überlebenden Population. Und gerade deshalb war das Thema des 9. Rotwildsymposiums, die tierschutzgerechte Rotwildreduktion, geradezu ein Paradethema für die Deutsche Wildtier Stiftung. Denn Rotwildreduktion bedeutet sehr viel mehr als heiß geschossene Gewehrläufe! Es ist verantwortungslos, dass sich bisher weder Waldeigentümer- oder Forstverbände noch Natur- oder gar Tierschutzverbände mit den vielfältigen Herausforderungen bei der Reduktion von Rotwildpopulationen auseinandergesetzt haben.

Tagungsband Rotwildreduktion

Der Tagungsband des 9. Rotwildsymposiums zeigt Hintergründe der Populationsdynamik beim Rotwild sowie Voraussetzungen und Jagdstrategien, um Rotwildpopulationen tierschutzgerecht in einem begrenzten Zeitraum zu reduzieren. Dazu gehören weder verlängerte Jagdzeiten noch die Nachtjagd. Eine als Projekt und nicht als Dauerzustand begriffene Rotwildreduktion gelingt in kompetenten und durchsetzungsfähigen Hegegemeinschaften. Ihr wichtigstes Instrument ist die Spätsommerjagd zur Erlegung von Kalb-Alttier-Doubletten. 

Inhalt des Tagungsbandes

Bad Driburger Erklärung: Empfehlungen zur Reduktion von Rotwildbeständen unter Einhaltung des Tierschutzes

Grusswort (Prof. Dr. Fritz Vahrenholt; Alleinvorstand Der Deutschen Wildtier Stiftung)

Wieviel ist zu viel?

Nachhaltige Jagd oder tierschutzgerechte Reduktion? Der schmale Grat zwischen viel und zu viel (Hilmar Freiherr v. Münchhausen)

Wann ist „viel“ zu viel? Zur Bedeutung der Rotwilddichte im Rahmen eines zeitgemässen Managements (Sven Herzog)

Wieviel ist viel? Methoden und Ergebnisse moderner Schalenwilderfassung (Reinhild Gräber)

Faktoren der Populationsdynamik

Geschlechterverhältnis der Kälber – kein Zufall beim Rotwild (Sebastian G. Vetter & Walter Arnold)

Auswirkungen der Abschussstruktur auf die Populationsentwicklung beim Rotwild (Andreas Kinser, Benno Wölfing, Hilmar Freiherr V. Münchhausen, Reinhild Gräber & Ursula Siebert)

Vom Wissen zum Handeln: Praxiserfahrungen für eine tierschutzgerechte und erfolgreiche Rotwildreduktion

Der tierschutzgerechte Alttier-Abschuss: Schlüssel zur Reduktion (Fritz Völk & Josef Zandl)

Tierschutzgerechte Alttierbejagung auf Bewegungsjagden: Bestandsaufnahme des Gesäugestatus erlegter Alttiere (Olaf Simon & Johannes Lang)

Jagdliche Infrastruktur und jagdlicher Verzicht: Schlüssel für eine effektive Einzeljagd (Burkhard Stöcker)

Erfolgreiche und tierschutzgerechte Rotwildreduktion im Südschwarzwald (Hubert Kapp)

Einfluss auf die Bestandsdynamik beim Rotwild in der Hegegemeinschaft Rothemühl (Michael Hock)

Konflikte und Lösungswege im Rotwildverbreitungsgebiet „Senne-Teutoburger Wald-Egge“ (Michael Petrak, Martin Müller & Alexander Klug)

Die tierschutzgerechte Rotwildreduktion aus Sicht…

…der Jagdverbände (Gundolf Bartmann)

…der Grundeigentümer (Clemens Freiherr v. Oer)

wissenschaftliche Kurzbeiträge

40 Jahre Rothirschmarkierung und -besenderung als Grundlage für das Management (Flurin Filli & Hannes Jenny)

Telemetrische Untersuchungen zur Interaktion von Alttier und Kalb beim Rotwild – eine individual-basierte Pilotstudie (Ulf Hettich & Ulf Hohmann)

Alte Hirsche – wie viele sollten es sein? (Dieter Holodynski)

Praxisbeispiele zur Anwendung der Scheinwerfertaxation aus drei unterschiedlichen Rotwildlebensräumen und Bundesländern (Karsten Hupe & Olaf Simon)

Beweidung mit wildlebenden Rothirschen: Auswirkung der Nahrungsqualität auf die Raumnutzung (Laura Richter, Christoph Raab, Friederike Riesch, Johannes Signer, Bettina Tonn, Marcus Meissner, Horst Reinecke, Sven Herzog, Johannes Isselstein & Niko Balkenhol)

Beweidung mit wildlebenden Rothirschen: Effektives Management zum Erhalt von FFH-Grünland? (Friederike Riesch, Bettina Tonn, Christoph Raab, Laura Richter, Johannes Signer, Horst Reinecke, Marcus Meißner, Sven Herzog, Niko Balkenhol & Johannes Isselstein)

Wildbestandserfassung als Aufgabe und Basis für die Arbeit von Hegegemeinschaften – Beispiele aus der Praxis (Olaf Simon, Johannes Lang & Karsten Hupe)

HIRSCHE – Ein Porträt

„Der Hirsch ist kein stolzer König der Wälder, sondern ein geschlagener Feldherr ohne Reich, (…) ein Gefangener im Waldesdunkel. (…) Tatsächlich ist er darum ein bejammernswertes Geschöpf – eher eine arme Sau (…).“

Der röhrende Hirsch mit mächtigem Geweih beflügelte die Fantasien nicht nur von Adeligen, höheren Töchtern und Romantikern, sondern prangte als Bild an den Wänden so manches deutschen Kleinbürgers. Doch gerade sein Geweih als Symbol des potenten Herrschers machte ihn zugleich zum bemitleidenswerten Objekt der Jagdlust und zur tragischen Figur des Waldes. Wilhelm Bode, selbst einst ein passionierter Jäger aus Familientradition, schildert in seinem Buche „Hirsche – Ein Porträt“ die wechselvolle Natur- und Kulturgeschichte des Hirsches. Er erzählt nicht nur von der Faszination für Bambi, der Bedeutung des Hirsches für Frida Kahlo und Joseph Beuys und von dem Auf und Ab der Jagdhistorie. Er beschreibt, wie ihn seine Begegnungen mit dem Hirsch allmählich von der Trophäenjagd abbrachten und zum überzeugten Gegner einer rücksichtslosen Jagdpraxis werden ließen, die nicht nach ihren Konsequenzen für den Naturraum fragt.

Das Kapitel „In einem anderen Land“ widmet Bode dem Gut Klepelshagen der Deutsche Wildtier Stiftung, das in seinen Augen ein Vorbild für eine Kulturlandschaft ist, in der alle Wildtiere eine Zukunft haben und deren Leitart der Rothirsch ist. Damit ist sein Buch nicht zuletzt ein engagiertes Plädoyer, die Jagd auf das stolze Wildtier in eine neue Beziehung des Respekts vor der Natur zu verwandeln.

NABU diskutiert zum Rotwild im Erzgebirge

(Freie Presse vom 9.5.2019) Seit mittlerweile fünf Jahren tobt im Erzgebirge ein Streit um die Rotwildjagd: Die Kontrahenten sind die Rotwildhegegemeinschaft Erzgebirge auf der einen und der Staatsbetrieb Sachsenforst auf der anderen Seite. Die einen fordern einen tierschutzgerechten Umgang mit dem Rotwild in Sachsen und ein staatlich gestütztes Rotwildmanagement mit Wildruhezonen, in denen nicht gejagt wird. Die anderen, der Staatsbetrieb Sachsenforst, wollen den Wald widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel machen und investieren dafür mehr als 140 Millionen Euro in den Waldumbau, der durch überhöhte Wildbestände gefährdet sei. Nun hat sich der örtliche Kreisverband des NABUs eingeschaltet, um die Möglichkeiten zu einem besseren Miteinander von Wald und Wild zu dikutieren. In Schneeberg wurde über die Zukunft der Artenvielfalt im Erzgebirge diskutiert. Referent Wilhelm Bode pointierte: „Das Rotwild ist eine arme Sau.“ Das Rotwild sei ein Gefangener im Wald. Dort lebe es aufgrund der intensiven Bejagung in ständiger Todesangst. Die Lösung für einen artgerechten Lebensraum sieht der Forstwissenschaftler in der Schaffung von Ruhezonen, in denen das Rotwild nicht gejagt werden dürfe.

Dass seit vielen Jahren nur diskutiert, aber nichts getan werde, kritisierte auch Professor Sven Herzog. Der Wildbiologe von der TU Dresden forderte, dass das Rotwild nicht auf Wiesen bejagt werde: „Dann habe ich im Wald ein Problem.“

Den vollständigen Artikel in der Freien Presse finden Sie hier.

Streit um verendete Rotwildkälber im Nationalpark Berchtesgaden

Die Bilder von meterhohen Schneemassen haben bereits im Januar befürchten lassen, was nun langsam zur Gewissheit wird: Der auslaufende Winter hat große Lücken in die Populationen der Wildtiere in den bayerischen Alpen gerissen. Wie die Seite bgland24.de nun berichtet, hat der Fund einiger toter Rotwildkälber rund um den Königssee im Nationalpark Berchtesgaden eine Diskussion über das Jagdmanagement im Nationalpark entfacht. Der Verein „Wildes Bayern e.V.“ erhebt nach dem Fund schwere Vorwürfe. Für die verhungerten Kälber gäbe es nur eine plausible Erklärung: Die Kälber haben den Weg zur nahen Fütterung nicht gefunden, weil ihre Mütter im Nationalpark zuvor von Jägern erlegt worden seien. Üblicherweise schließen sich dann die Waisen zu kleinen Paaren oder Gruppen zusammen, was den Fund gleich mehrerer Kälber erklären würde.

Der Nationalpark Berchtesgaden weist den Vorwurf zurück, die Mütter der Tiere erschossen zu haben. Vielmehr handele es sich dabei um einen natürlichen Vorgang.

Im Nationalpark Berchtesgaden wurden im Jahr 2017 119 Stück Rotwild erlegt und davon auffällig viele Schmaltiere (33 %). Im Jahr davor waren es insgesamt nur 57 Tiere. Bemerkenswert ist, dass es im Rahmen der Schutzwaldsanierung selbst im Nationalpark Berchtesgaden viele Gebiet gibt, in denen die Schonzeit für Rotwild und Rehe, vor allem aber für Gämse zum Teil ganzjährig aufgehoben wurde. Die Deutsche Wildtier Stiftung hat sich in ihrer Baden-Badener-Erklärung für die komplette Einstellung der Jagd auf den Prozessschutzflächen von Großschutzgebieten wie etwa Nationalparken ausgesprochen. Die komplette Aufhebung der Schonzeit lehnt die Stiftung mit Ausnahme von Flächen, die einem konkreten Objektschutz in den Tallagen dienen, ab.

Den vollständigen Artikel und die Stellungnahme des Nationalparks Berchtesgaden auf bgland24.de finden Sie hier.

Protest gegen Isolation von Rothirschpopulationen

Im Osten des Großraum Kölns in der Stadt Overath stößt die Planung eines Gewerbegebietes auf Widerstand: Das Gewerbegebiet an den Sülzeauen würde die Wanderrouten der Rotwildpopulationen in der Wahner Heide und des Königsforstes nach Osten endgültig abschneiden, die Populationen isolieren und den Biotopverbund gefährden. Eingezwängt zwischen Autobahnen und Siedlungen in der bevölkerungsdichtesten Region Europas wäre die Folge dieser Isolation des Rotwildes die Unterbindung des genetischen Austausches und damit Inzucht in den Populationen. Mit erheblichen Mitteln wurde bereits über die A 3 und die L 284 Wildbrücken errichtet, um den Biotopverbund des Rotwildgebiets der Wahner Heide und des Königsforst zu erhalten. Die Bauvorhaben würden diese Bemühungen jedoch unterlaufen.

Auf dem Treffen zum „3. Overather Jagdforum“ zeigten sich die Teilnehmer einig, dass die Pläne der Stadt nicht mit dem Biotopverbund vereinbar sein. Der vornehmlich durch die örtliche Jägerschaft organisierte Protest wurde durch Expertenbeiträge unterstützt. Unter anderem stellte Herr Dr. Petrak, Leiter der Forschungsstelle für Wildtierkunde und Wildschadensverhüttung in Bonn, die bisherigen Erfolge der Wildbrücken zum Biotopverbund da.

Den Bericht des Kölner Stadt Anzeigers zum „3. Overather Jagdforum“ finden Sie hier.

Biotopverbund

Der Biotopverbund dient der dauerhaften Sicherung der Populationen wild lebender Tiere und Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstätten und ist im § 21 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) festgeschrieben. Rotwild ist durch seine weiten Wanderungen eine Leitart für den Biotopverbund. Die Deutsche Wildtier Stiftung fordert seit langem, Rotwild-Lebensräume großräumig zu vernetzen und ihre Beschränkung auf Rotwildbezirke zu beenden. Wenn Rotwild ungehindert wandern dürfte, könnten Trittsteinbiotope und Wildbrücken die Vernetzung weiter von einander entfern lebender Rotwildpopulationen ermöglichen.

Streit um Winterfütterung in Österreich entbrannt

In Österreich ist ein erbitterter Streit um die Winterfütterung der Österreichischen Bundesforste (ÖBf) ausgebrochen. Anlass und Mittelpunkt des Streits ist eine Winterfütterung für Rotwild im Gasteiner Angertal, die durch eine online-Petition und einen Fernsehbericht in den vergangenen Wochen erhebliche mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Der Vorwurf: Trotz Jahrhundertwinters haben die staatlichen Forstbetriebe als Grundbesitzer und Jagdverpächter die Winterfütterung von Reh- und Rotwild teilweise untersagt oder eingestellt. Dadurch verhungere das Wild qualvoll, kritisieren die Jäger. Die Bundesforste widersprechen, der Waldbestand sei durch die Zunahme an Verbissschäden in Gefahr.

Mittlerweile hat auch das Landesverwaltungsgericht Salzburg die Wildschäden behördlich festgestellt. Dort heisst es, dass es „auf den Flächen durch massive Wildschäden – vorrangig verursacht durch Rotwild – großflächig zum Ausfall und Absterben von Forstkulturen gekommen ist“.  Das Landesverwaltungsgericht Salzburg selbst hat einen Zusammenhang mit der Fütterung festgestellt. Weiters hat das Gericht angeordnet, „eine Wildstandsreduktion auf ein für die Wiederbewaldung verträgliches Maß herbeizuführen.“.

Den Bericht des österreichischen Fernsehsenders Servus TV finden Sie hier.

Die Gegendarstellung der Österreichischen Bundesforste finden Sie hier.

Fotorechte: © Servus TV / Mabon

Winterfütterung

Winterfütterungen sind ein wirksames Instrument, um die räumliche Verteilung von Rotwild zu steuern. Darüber hinaus wird sie vor allem in den Alpen und den Mittelgebirgen als Kompensation für Winterlebensräume in den Tallagen angesehen, die durch Besiedelung, Verkehrswege und Stauseen verloren gegangen sind. Winterfütterung kann in diesen Regionen zur Minderung von Wildschäden beitragen und helfen, Energieengpässe bei den Tieren im Winter in Folge von menschlicher Beunruhigung wie z.B. durch Freizeitnutzung auszugleichen.

Andererseits können falsch oder missbräuchlich eingesetzte Fütterungen schwerwiegende Eingriffe in das natürliche Verhalten der Tiere darstellen. Auch wird diskutiert, ob Winterfütterung dazu beiträgt, die Nahrungsgrundlage des Lebensraumes künstlich anzuheben. Eine an dieser Lebensraumkapazität orientierte Wilddichte würde zu nachteiligen Auswirkungen auf die Vegetation im Sommer führen.

Ein an der Biologie des Rotwildes orientiertes Management nutzt alle Möglichkeiten, auf Winterfütterung zu verzichten. Voraussetzungen für ein konfliktarmes Überwintern von Rotwild sind eine angemessene Populationsgröße, ruhige Einstände und vor allem ausreichend verfügbare und zugleich schadlose Äsungskapazitäten im Winter. Ein naturnah aufgebauter, gut strukturierter Wald ist dabei weniger anfällig gegen den Fraßeinfluss durch Rotwild als Altersklassenwälder. Gleichzeitig bietet die Gestaltung von Waldinnenrändern mit Weichhölzern nicht nur dem Rotwild geeignete Winteräsung, sondern bildet insgesamt einen HotSpot für die Artenvielfalt in unseren Wäldern. Unbejagte Wildäsungsflächen, die vom Wild auch am Tag genutzt werden, sind das wichtigste Element für erfolgreiche Überwinterungskonzepte beim Rotwild. Ziel sollte es also sein, Situationen, in denen Winterfütterung erforderlich ist, deutlich zu minimieren. Gleichzeitig darf der Verzicht auf Winterfütterung auch nicht zum Dogma werden.

Wintergatter

In den Alpen werden immer mehr Fütterungsbereiche eingezäunt, aus denen das Wild erst entlassen wird, wenn reichlich Bodenäsung zur Verfügung steht Für den Wald sind Wintergatter eine Entlastung. Wenn sich das Wild jedoch frühzeitig einstellt, kann es nicht mehr bejagt und der Abschuss nicht erfüllt werden. Manche Revierinhaber nutzen Wintergatter dazu, einen höheren Wildbestand zu halten. Das Gattern wilder Tiere über etwa fünf Monate pro Jahr stößt auch auf ethische Einwände und ist für viele unvereinbar mit dem Wildtiercharakter. Die Tiere selbst finden allerdings ihr Ruhebedürfnis optimal befriedigt, weil sie vor Störungen sicher sind.

In den Fängen der Eiszeit

(FAZ vom 23.2.19) Wissenschaftler von der Universität Porto haben gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Spanien und den Vereinigten Staaten die Evolution des Rotwildes (Cervus elaphus) untersucht. Wie die molekulargenetischen Analysen von mehr als neunhundert Tieren aus ganz Europa ergaben, haben sich die Rothirsche wahrscheinlich während der „Saale-Kaltzeit“ (vor 190.000 bis 127.000 Jahren) in drei Gruppen gespalten: in eine östliche, eine westliche und eine mediterrane Population. Dass die anschließende Warmzeit wieder eine Vermischung erlaubt hat, zeigt die DNA fossiler Hirschknochen aus Spanien, die östliche Merkmale enthielt. Als die Gletscher in der letzten Kaltzeit vor ca. 23.000 Jahren auf ihre maximale Größe wuchsen, trennten sich die Populationen erneut in eine westliche und eine östliche. Spuren der einstigen Vermischung sind dadurch in Spanien vermutlich ebenso verloren gegangen wie auf dem Balkan. Von dort aus konnte sich das Rotwild nach dem Ende der Eiszeit wieder in Ost- und Mitteleuropa ausbreiten.

Den Artikel in der FAZ vom 23.2.2019 finden Sie hier.

Den wissenschaftlichen Artikel in der Online-Zeitschrift „Plos One“ finden Sie hier.

Würde der Artikel die heutigen Wanderbewegungen der Art beschreiben, müsste er mit „In den Fängen der Forstwirtschaft“ überschrieben sein. Denn vor allem in den südlichen Bundesländern wird dem Rothirsch per Gesetz vorgeschrieben, wo er leben darf und vor allem wo nicht: Im Grün-regierten Baden-Württemberg muss der Rothirsch auf 96 % der Landesfläche per Gesetz ausgerottet werden, weil die Forstwirtschaft seine Fraßgewohnheiten fürchtet. Die Deutsche Wildtier Stiftung fordert daher „Freiheit für den Rothirsch“ und eine Auflösung der No-Go-Areas für den Rothirsch.